Schnipsel #1: Tag 768 und trotzdem vielleicht ein Lächeln auf den Lippen

CN Einsamkeit Pandemie unglücklich

Flo lag auf ehrm Bett. Es war Tag 768 an dem draußen nichts los war, weil immer noch Pandemie war. Natürlich gab es auch mal Tage, an denen Flo sich wieder mit Freund*innen treffen konnte, aber so richtig oft war das nicht. Flo träumte. 

Es gab eine Zeit in ehrm Leben, da war Flo glücklich. Es war schon etwas her, mindestens 769 Tage. Flo hatte eine Freundin, die ey seitdem leider nicht mehr treffen konnte. Ihr Name war Anastasia. Sie lebte in Frankfurt am Main, während Flo in Bremen war. Früher hatten sie sich jeden Tag gesehen, aber das war schon wesentlich länger her. 

Anastasia wusste früher alles über mich, dachte ey. Aber jetzt erinnerte ey sich nicht mal mehr an den letzten Kontakt mit Anastasia. Ob ey sie mal anschreiben sollte? Was sie wohl gerade tat?

Flo erinnerte sich an einen Liebesfilm vom letzten Abend. Es ging darum, dass ein Typ nach einem Date gesucht hatte, nichts weiter als die Liebe seines Lebens, und dabei Personen begegnet war, die wirklich nicht mit ihm harmonierten. Nach jedem Date war er zu seinem Kumpel gegangen und hatte sich ausgekotzt über die schlechten Dates. Sein Kumpel hatte jedes Mal ruhig zugehört, ihm Rat gegeben und manchmal sogar für ihn Klamotten oder kleine Geschenke gekauft, damit der diese für die Dates nutzen konnte.

Eines Tages fragte die Schwester des Kerls ihn, ob er mal daran gedacht hatte eine Person zu daten, mit der er eh gut klarkam. Also eine Person, mit der er sich gerne umgab, die ihn zum Lachen brachte und ihn das Unglück der Welt vergessen ließ. Erst verstand er nicht, was sie damit meinte und ging wieder zum nächsten Date.

An diesem Abend kam er – mal wieder nach einem schlechten Date – nachhause und sah seinen Kumpel auf dem Sofa sitzen. Er schaute gerade einen Film, den die beiden sicherlich schon etliche Male miteinander gesehen hatten und den er trotzdem oder eben gerade deshalb liebte. Sein Kumpel schaute über die Sofalehne zu ihm rüber und grinste, auch er musste grinsen. Er merkte, dass er den ganzen Tag noch nicht gegrinst hatte. Erst jetzt grinste er wieder. 

Danach war Flos Internet abgeschmiert. Vermutlich war es so besser, dachte sich Flo. So konnten die Produzierenden das Ende des Filmes wenigstens nicht versauen und Flo konnte sich ein passendes Ende selbst ausmalen. Aber was bedeutete der Film für em? Gab es eine Person in ehrm Leben, die em zum Lachen brachte? Mit der ey sich gerne umgab? 

Ja natürlich, dachte Flo. Natürlich gab es die Person. Anastasia war diese Person. Vielleicht war es tatsächlich Zeit, sich mal bei Anastasia zu melden…

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Hallo liebe Leser*innen! Ihr seid hier gerade meinem ersten Schnipsel begegnet. Schnipsel sind kleine Minigeschichten, die ich auf meiner Webseite veröffentliche. Falls ihr neugierig seid, wie es Flo mittlerweile geht … don’t wait for me! 

Ich habe gerade überlegt, ob es sinnvoll wäre, hier einen Hashtag einzuführen, unter dem über die Minigeschichten getweetet werden könnte. Es könnte beispielsweise ein eigenes Ende gepostet werden. Bevor ich mich gerade aber überhaupt dafür entscheiden konnte, dies als Aktion tatsächlich zu bewerben, fiel mir ein Hashtag quasi in den Schoß: #FloAufKlo. Ob ich den ersten Satz des Schnipsels doch nochmal abändern sollte…?

Meine Pronomen

– ey/em/ehr Neopronomen

Hallo! Wie ihr schon zu Beginn auf meiner Homepage und vielleicht auch schon auf meinem Twitter-Account gesehen habt, verwende ich verschiedene Pronomen. Je nachdem wo ihr nachseht, findet ihr unterschiedliche Angaben, was tatsächlich vor allem an der Sprache liegt. Für’s Englische gebe ich meistens they/she an und für’s Deutsche gibt’s ey/sie.

Hier könnt ihr euch einmal eine von mir selbstgemacht Tabelle zu den ey/em/ehr Neopronomen ansehen. Falls ihr dazu Fragen habt, sagt gerne Bescheid.

PersonalpronomenPossessivaRelativ-pronomen
SingularPlural
NominativEy ist eine nicht-binäre Person.Ehr Katze ist ziemlich süß.
Ehr Hund ist auch sehr süß.
Ehr Haus ist ziemlich klein. 
ehr Katzen/
Hunden/
Häusern
dey
AkkusativIch mag em.Ich mag ehr Katze.
Ich mag ehrn Hund auch sehr.
Ich mag ehr Haus, gerade weil es recht klein ist.
ehr Katzen/ Hunde/ Häuserdäm
DativIch kaufe em eine Katze und helfe em beim Füttern.Ich helfe ehr Katze.
Ich male ehrm Hund ein Bild.
Ich kaufe ehrm Haus einen Küchentisch.
ehrn Katzen/ Hunden/ Häuserndäm
GenitivDie Katze gehört ehr.
Der Kratzbaum gehört ehr Katze.
Die Hundehütte gehört ehrm Hund.
Die Garage gehört ehrm Haus.
ehrn Katzen/ Hunden/ Häuserndän
ey/em/ehr Neopronomen: Personalpronomen, Possessive und Relativpronomen.

Mit diesen Formen weicht mein ey/em/ehr von dem ey/em ab, welches im Nibi-Space (Link 1 nibi.space) bereits auffindbar ist. But I guess that’s the beauty of Neopronomen… 🙂

Ihr dürft diese Neopronomen auch gerne für euch selbst oder für Figuren aus eurer kreativen Arbeit verwenden. Kirby Conrod empfiehlt in their Blog (Link 2 Blog Kirby Conrod) zum Beispiel, über Figuren mit Neopronomen zu schreiben, um diese zu üben und so die Neopronomen in den eigenen normalen Sprachgebrauch einzubauen, wenn dies beispielsweise nicht mit dem Umfeld gut zu üben wäre.

Falls du dich mehr über die Nutzung von gendersensiblen Pronomen informieren möchtest, empfehle ich die beiden Links, die ich im Fließtext bereits verlinkt habe, die du aber auch nochmal am Ende des Textes finden kannst. Der Nibi-Space ist deutschsprachig, der Blog von Kirby Conrod ist englischsprachig.

Danke für’s Lesen! Teilt gerne mit mir auf Twitter (Link 3 Twitter.com Josefine Quell), wenn ihr Neopronomen für euch oder andere verwendet und wie das denn in Aktion aussieht!

Quellen:

  1. Nibi Space: „ey/em“ in: Pronomen. https://nibi.space/pronomen#eyem (letzter Zugriff 13.01.2021)..
  2. Conrod, Kirby (2020): „pronouns 102: how to stop messing up pronouns“.: https://kconrod.medium.com/pronouns-102-how-to-stop-messing-up-pronouns-9bd66911118 (letzter Zugang: 13.01.2021).
  3. Twitter-Account Josefine Quell: https://twitter.com/JosefineQuell.

Eine wichtige Stimme, die gehört werden muss: Jasmina Kuhnke – „Schwarzes Herz“

CN: Trauma Gewalt Rassismus Misogynie Klassismus

Eine wichtige Stimme, die gehört werden muss. In dem Buch „Schwarzes Herz“ geht es um die Folgen von Rassismus und Misogynie. Es geht darum, wie körperliche und psychische Gewalt das Leben der Schwarzen Ich-Erzählerin begleitet. Es geht um ihre Kindheit, ihre Jugend und die die ersten Jahre nach der Geburt der zwei Kinder, die aus einer gewaltvollen Partnerschaft stammen. 

Im Buch wird häufig zwischen den Lebensabschnitten der Erzählerin gesprungen, von Erlebnissen der Kindheit, wo ihr Stiefvater rassistische Sprache verwendet, um über sie zu sprechen, zu Erlebnissen des Erwachsenenlebens, wo sie den späteren Vater der beiden Kinder, die im Buch vorkommen, kennenlernt, dessen Gewalt ihr gegenüber in weiteren Abschnitten geschildert wird. 

In vielen Geschichten machen mich zu viele Zeitsprünge nervös. Ich komm nicht mehr hinterher, was passiert, wo wir uns in der Geschichte befinden, und möchte die Geschehnisse lieber in der chronologischen Reihenfolge hören. Nach meiner Erfahrung, die nicht mit der Geschichte der Erzählerin vergleichbar ist, funktionieren Erinnerungen, besonders die an extrem negative Erfahrungen, wie psychischen Terror und körperliche Gewalt, so nicht. 

Eins bewegt sich selten chronologisch durch die traumatischen Erinnerungen, die traumatischen Bilder kommen und gehen. Den Erinnerungen ist es egal, dass es Zeitsprünge von Jahrzehnten gibt. Ich weiß nicht, was sich die Autorin dabei gedacht hat, den Text so anzuordnen. Was ich weiß, ist aber, dass mich die Anordnung des Textes daran erinnert hat, wie traumatische Bilder bei mir selbst kommen und gehen. Daher finde ich die Anordnung der Szenen sehr passend gewählt. Zeitsprünge sorgen beim Lesen eines neuen Abschnittes bei mir als lesende Person häufiger für Orientierungslosigkeit. Das Erleben von traumatischen Erfahrungen tut dies auch. Trotz allem wurde dieses Stilmittel so bewusst gewählt, dass die Erzählerin mich im Lesefluss nicht abgehängt hat. Ich konnte ihr folgen. 

Es handelt sich bei der Stimme der Erzählerin um eine wichtige Stimme, da sie ausspricht, was wohl viele, die mit Rassismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert werden, denken. Das Buch gibt denen, die nicht laut werden können, eine Stimme. Das Buch gibt denen, die ähnliche Gedanken und Erfahrungen haben das Gefühl, nicht die einzigen zu sein, denen es so geht. Das Buch zeigt auch, dass es nicht die Überlebenden von Gewalt sind, die an dem, was sie erlebt haben, schuld sind, sondern diejenigen, die die Gewalt ausüben. 

Der gesellschaftliche Kontext des Buches spielt auch eine wichtige Rolle. Während Jasmina Kuhnke noch an dem Buch schrieb, musste sie mit ihrer Familie umziehen, weil es Morddrohungen von Rechtsradikalen gegen sie gab und ihre Adresse öffentlich gemacht wurde. Aus Sicherheitsgründen kann die Autorin ihr Buch nicht bei Lesungen auf einer Buchtour promoten. Auch ein unangekündigter Überraschungsauftritt bei der Frankfurter Buchmesse musste von ihr abgesagt werden, weil die Organisator*innen der Buchmesse es nicht einsahen, die Sicherheit von Jasmina Kuhnke und anderen Autor*innen of Color zu gewährleisten und lieber rechtsradikalen Buchverlagen Platz für ihre Stände zu geben, dessen Angehörigen zum Teil auch mit Drohungen gegen die Autorin zusammenhängen. 

Der Inhalt des Buches zeigt, was passiert, wenn eins still bleibt. Der gesellschaftliche Kontext zur Veröffentlichung des Buches zeigt, was passiert, wenn eins sich engagiert, sich äußert und Betroffenen eine Stimme gibt. 

Die Sprache des Buches zeigt, dass sich die Autorin nicht verstellt, nur weil Kritiker*innen eine ganz bestimmte Sprache erwarten, in der fuck nicht vorkäme, rassistische Ausdrücke aber unkommentiert ausgeschrieben werden können. Rassistische Begriffe, die durch Zitate auftauchen, wurden mit Sternen zensiert. In dem Buch wurde entgendert, wenn es um die anonyme Masse von z.B. Mitschüler*innen und Lehrenden ging und es wurde ein Sensitivity Reading durchgeführt, was es bei vielen anderen Publikationen so sonst häufig noch nicht gibt. Es gibt auch Hinweise am Buchanfang und Buchende, die die Lesenden darauf aufmerksam machen sollen, dass der Inhalt retraumatisierend wirken kann und es gibt eine Aufzählung von Themen, die vorkommen, so dass sich Lesende überlegen können, ob sie das Buch tatsächlich lesen wollen, auch wenn z.B. rassistische Sprache und Gewaltdarstellungen vorkommen. Es wird also deutlich, es wurden sich Gedanken gemacht. Es wurden sich Gedanken gemacht, wie verschiedene marginalisierte Gruppen auf den Text reagieren würden und es wurde nicht die Sprache der Mehrheitsgesellschaft und des Patriarchats übernommen. 

Aus meiner Sicht ist dieses Buch eines der wichtigsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Es zeigt, was das Leben in unserer Gesellschaft für diejenigen bereithält, die nicht so privilegiert aufwachsen und regelmäßig mit Rassismus und Misogynie konfrontiert werden. Es zeigt, was an der Oberfläche unserer Gesellschaft beinahe komplett unsichtbar gemacht wird und trotzdem da ist und das Leben vieler Menschen prägt. Das Buch gibt aber auch Hoffnung und für diese Hoffnung möchte ich Jasmina Kuhnke danken.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass diese Rezension von einer weißen Person geschrieben wurde. Bei den Darstellungen der Bezeichnungen weißer und Schwarzer Personen und BIPoCs habe ich mich an den Bezeichnungen orientiert, die Alice Hasters in ihrem Buch „Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ verwendet und erläutert hat. Ich würde allen Lesenden dieser Rezension sehr ans Herz legen, sich noch viel öfter die Stimmen von Schwarzen Frauen und anderen FLINTA* BIPoC anzuhören und den Fokus darauf zu legen, was diese über Rassismus und Misogynie und über Bücher wie „Schwarzes Herz“ zu sagen haben. Ganz zum Schluss denn noch das Fazit: Wenn ihr die Themen, die in den Inhaltshinweisen vorkommen, verkraften könnt, dann lest unbedingt das Buch!


Für diese Rezension hat Jade S. Kye ein Sensitivity Reading in Bezug auf Rassismus-sensibler Sprache durchgeführt. Für das Feedback möchte ich sehr danken!

Das Buch:

Jasmina Kuhnke (2021): Schwarzes Herz. Hamburg: Rowohlt.

Blog Beitrag #1

Ihr werdet Neuigkeiten und Gedanken an diesem Ort versammelt finden. Die Handwerker*innen müssen nur noch das Gerüst aufbauen und denn geht das große Werkeln hier im Blog los!