- … und sensible Sprache
- CN Diskriminierung Marginalisierung (Re-)Traumatisierung
(Diese CNs gelten für den ganzen Text – für einzelne Abschnitte werden weitere CNs vor den entsprechenden Abschnitten erwähnt.)
Was kann Sensitivity Reading?
Sensitivity Reading ist z.B. für Autor*innen eine Möglichkeit, ihre Texte auf Diskriminierung gegenüber marginalisierter Personen checken zu lassen, damit diese vermieden werden können. Laut sensitivity-reading.de (Link1 sensitivity-reading.de) und Valo Christiansen auf queersensitivityreading.com (Link2 queersensitivityreading.com) wird Sensitivity Reading in der Regel von Menschen in einem Themenbereich von Marginalisierung angeboten, von dem sie selbst betroffen (oder in dem Themengebiet zumindest sehr belesen) sind und sich mit dem Thema auch außerhalb der eigenen Erfahrungen intensiver auseinandergesetzt haben. Gleichzeitig haben Menschen, die Sensitivity Reading anbieten meist einen näheren Bezug zur Literatur- und/oder Sprachwelt. Einige sind z.B. Lektor*innen,Lehrer*innen, Autor*innen und/oder Studierende aus dem Bereich Sprache & Literatur.
Wie auf der Themenseite von sensitivity-reading.de (Link3 sensitivity-reading.de) deutlich erkennbar ist, gibt es eine große Bandbreite an Themen, zu denen Sensitivity Reading angeboten wird. Dabei handelt es sich bei dieser Seite „nur“ um eine Auflistung der Themen, zu denen sich Kontakte für Sensitivity Reading über diese Seite finden lassen.
Jade S. Kye fasst auf jsk-lektorate.com die Rolle von Sensitivity Readings wie folgt zusammen: „Ein Sensitivity Reading hilft dabei Texte von Feindlichkeiten und -Ismen zu befreien und damit eine nicht traumatisierende Darstellung marginalisierter Lebensrealitäten zu bieten.“ (Quelle: Link4 jsk-lektorate.com).
Bei allen hier zitierten Stellen geht es darum, dass Autor*innen sich mit Sensitivity Readern zusammensetzen können. Letztendlich entscheidet also weiterhin die Person, die das Sensitivity Reading in Auftrag gibt, selbst, welche Punkte übernommen werden. Es hängt also von den Autor*innen selbst ab, wie viel sie von dem Potenzial, das Sensitivity Readings bringen können, genutzt wird.
Es ist auch wichtig zu betonen, dass nicht erwartet werden kann, dass Sensitivity Reader zu allen Marginalisierungen etwas sagen kann, da nicht jede Person von denselben Marginalisierungen betroffen ist und/oder sich mit Aspekten dieser auseinandersetzt. Gleichzeitig ist es auch so, dass jeder Mensch unterschiedliche Ansichten hat und Erfahrungen gesammelt hat, so dass auch zwei Menschen mit ähnlichen Marginalisierungen unterschiedliche Ansichten zu Textstellen äußern können. Vernetzungen innerhalb von Communities hilft Sensitivity Readern dabei, auf Situationen aufmerksam machen zu können, die auch in den Communities selber zu unterschiedlichen Ansichten führen.
Aber was bedeutet das alles ganz konkret?
Ich persönlich traue Büchern, bei denen die Autor*innen mit Sensitivity Readern gearbeitet haben, eher, dass ich beim Lesen dieser Bücher nicht (re-)traumatisiert werde, weil die Autor*innen z.B. „ja nicht wussten konnten, dass sie xyz nicht sagen sollten“. Ich traue dem Buch also eher, sensibel mit Marginalisierungen umzugehen. In einem ähnlichen Atemzug möchte ich auch erwähnen, dass ich Content Notes (CNs) und/oder Triggerwarnungen (CW – Content Warning) zu Beginn von Texten für sinnvoll erachte. Zur Unterscheidung von CNs und CWs haben andere Menschen mehr zu sagen als ich, weshalb ich darauf hier nicht weiter eingehen werde.
Das erste Buch, bei dem Sensitivity Reading eingesetzt wurde, welches ich gelesen habe, ist „Schwarzes Herz“ (Link5 „Schwarzes Herz“) von Jasmina Kuhnke (eine Rezension zu dem Roman hatte ich auch hier auf meinem Blog gepostet, Link6 josefine-quell.de). Das Sensitivity Reading wurde von Victoria Linnea durchgeführt – eine der Personen, die als Mitinitiatorin auch hinter sensitivity-reading.de steht (guck hier, Link7 sensitivity-reading.de)! Und tatsächlich bin ich selbst auch durch Victoria Linnea auf das Thema Sensitivity Reading gestoßen (danke dafür!).
Und was können wir jetzt tun?
Ich habe mehrere Vorschläge, die ich hier einmal darlegen möchte. Je nachdem, womit du dich beschäftigst und welche Erfahrungen du in deinem Leben bisher gemacht hast, stehst du natürlich an ganz unterschiedlichen Standpunkten.
…Wenn du selbst Sensitivity Readings anbietest und mit Autor*innen an ihren Texten arbeitest, möchte ich dir zuallererst meinen Dank aussprechen. Deine Arbeit ist wichtig, aber eben auch nicht gerade einfach.
…Solltest du selbst zum Beispiel Autor*in oder Verleger*in sein und hattest bisher noch nicht so viel (oder gar keinen) Kontakt zu Sensitivity Readings, aber arbeitest mit Texten, in denen marginalisierte Menschen vorkommen, möchte ich dir empfehlen, dir eine Person zu suchen, die Sensitivity Readings in dem Themenbereich anbietet, mit dem der Text zu tun hat. Ich habe bereits einige Links in diesem Beitrag hinterlegt, unter denen du nach passenden Personen suchen kannst. Beachte dabei bitte, dass die Arbeit mit potentiell verletzenden, diskriminierenden und -istischen Texten und Fragen besonders an die Substanz der Sensitivity Reader gehen kann. Das macht es besonders wichtig, dass du respektvoll mit den Sensitivity Readern und ihrer Kritik an deinen Textstellen und Fragen umgehst und du keine Arbeit for free erwartest. Meine persönliche Meinung: So viele Löffel könnte ich gar nicht haben, potentiell retraumatisierende Texte lesen und damit arbeiten zu müssen und dabei nichtmal Geld dafür zu bekommen – ich wäre emotional ausgelaugt und hätte immer noch kein Essen auf dem Tisch!
…Wenn du aus der Buchbubble bist (z.B. als Leser*in, Blogger*in oder Autor*in), möchte ich dir zusätzlich auch noch einen Blogartikel von Victoria Linnea auf „Vickie & das Wort“ aus 2020 ans Herz legen. Der Titel ist „Aufruf an alle Buchmenschen“ (Link8 vickieunddaswort). Dabei geht es darum, dass wir selbst eine Menge zur Diversität in der Buchwelt beitragen können, indem wir uns bewusst werden, wessen Texte wir lesen und mit wem wir zusammenarbeiten und uns daraufhin überlegen, wie wir z.B. mehrfach marginalisierte Stimmen in unserem Umfeld verstärken können (Stichpunkt Intersektionalität).
- CN Fetischisierung Sexismus Queerfeindlichkeit Nicht-Binär-Feindlichkeit
… Als Leser*in möchte ich dir auch ans Herz legen, zu schauen, welche Autor*innen über Themen aus ihren eigenen Lebenserfahrungen schreiben, welche Texte von marginalisierten und mehrfach marginalisierten Autor*innen stammen und welche Autor*innen (oder Verlage) Sensitivity Reader für ihre Texte eingesetzt haben – ich schwöre, ich werde keine Bücher mehr lesen, in denen über bi Frauen geschrieben wird, wenn nicht ersichtlich wird, dass tatsächlich über die Lebensrealitäten von bi Frauen eingegangen wird und diese nur zur Fetischisierung für den Blick eines Mannes geschrieben wurden. Das ist jetzt nur ein Beispiel von vielen. Auch wissenschaftliche Arbeiten, die so tun als gäbe es keine nicht-binären Menschen, die nur von Männern und Frauen sprechen mag ich nicht mehr lesen. Ich bin müde und viele andere sind es auch…
Auch ich möchte einen Beitrag liefern
Im letzten Abschnitt hatte ich gefragt, was „wir“ tun können. Damit habe ich mich selbst explizit mit eingeschlossen. First of all: Ich versuche so viel wie möglich von anderen großartigen Menschen zu lesen, die viel mehr wissen als ich. Es gibt auch immer wieder Möglichkeiten, Menschen finanziell zu supporten, die auf Missstände aufmerksam machen und über -Ismen aufklären.
Neben all diesen Hinweisen habe ich mich dazu entschieden, selbst auch Sensitivity Readings für kurze Texte bzw. Textausschnitte (bis zu ca. 5 Seiten) zu den queeren Themen bi & nicht-binär und gendersensibler Sprache (in Deutsch und Englisch) durchzuführen. Sollte es Fragen zu gendersensibler Sprache in romanischen Sprachen wie Spanisch, Französisch und Portugiesisch geben, könnte ich in passende Richtungen für weitere Informationen und passende Ansprechpersonen zeigen.
Mein Zugang zum Thema
Ich habe einen ersten Studienabschluss in einem Sprachstudiengang und beschäftige mich dadurch besonders mit Sprache und Möglichkeiten, wie queere Menschen Sprache nutzen, um sich selbst adäquat zu beschreiben. Gleichzeitig liebe ich es, mir Geschichten auszudenken und bin daher auch als Autor*in von Fantasy, queeren Romance und Freundschaftsgeschichten aktiv. Ein Comic zu undiagnostiziertem ADHS und dessen Auswirkungen wurde von mir in einem US-amerikanischen Zine zu ADHS veröffentlicht.
Ich selbst bin ace, bi und nicht-binär und bin durch verschiedene Communities mit anderen Menschen mit unterschiedlichen queeren Identitäten im Kontakt (wer sich angesprochen fühlt – danke Leute, ihr seid ein riesiger Teil der Menschen, die dafür sorgen, dass ich mich in meiner Haut wohl fühle!).
Also, was jetzt?
Wenn du Interesse daran hast, mit mir an einem deiner Texte (bis zu ca. 5 Seiten) über ein Sensitivity Reading im Bereich von bi und nicht-binären Identitäten und/oder gendersensibler Sprache zu arbeiten, kannst du mich gerne kontaktieren und mir dein Vorhaben (z.B. Thema, Textart, Textlänge) vorstellen. Denn besprechen wir, inwiefern ich dir helfen kann und wir zusammenarbeiten können oder ob ich dich z.B. lieber an eine andere Person weiterleite.
Ansonsten möchte ich die Texte, die ich in diesem Beitrag verlinkt habe, zum Lesen empfehlen! Solltest du die Seiten noch nicht kennen, wäre jetzt der beste Moment, dies zu ändern! 🙂
Wenn du mich kontaktieren möchtest, kannst du dies z.B. über meine E-Mail-Adresse home@josefine-quell.de oder über meinen Twitter-Account https://twitter.com/JosefineQuell (Link9 Twitter.com) tun.
Ihr findet mich jetzt übrigens auch über die Seite vom Sensitivity Reading: https://sensitivity-reading.de/josefine-quell.
Links
1 Sensitivity Reading (2019): „FAQ: Was machen Sensitivity Reader?“, in: sensitivity-reading.de, https://sensitivity-reading.de/was-machen-sensitivity-reader .
2 Valo Christiansen: „Was ist Sensitivity Reading?“, in: queersensitivityreading.com, https://www.queersensitivityreading.com/was-ist-sensitivity-reading/ .
3 Sensitivity Reading (2019): „Themenbereiche“, in: sensitivity-reading.de, https://sensitivity-reading.de/themen .
4 Jade S. Kye: „Was ist Sensitivity Reading?“, in: JSK Lektorate – Sensitivity Reading & Other Services, https://www.jsk-lektorate.com .
5 Link zu Rowohlt-Verlagsseite zu Buch „Schwarzes Herz“ von Jasmina Kuhnke: https://www.rowohlt.de/buch/jasmina-kuhnke-schwarzes-herz-9783498002541 .
6 Josefine Quell (2021): „Eine wichtige Stimme, die gehört werden muss: Jasmina Kuhnke – Schwarzes Herz“ (Buchrezension) in: Blog Josefine Quell, https://josefine-quell.de/eine-wichtige-stimme-die-gehoert-werden-muss-jasmina-kuhnke-schwarzes-herz/ .
7 Sensitivity Reading (2019): „Über uns“, in: sensitivity-reading.de, https://sensitivity-reading.de/ueber-uns .
8 Victoria Linnea (2020): „Aufruf an alle Buchmenschen“, in: Vickie & das Wort, https://vickieunddaswort.de/aufruf-an-alle-buchmenschen .
9 Twitter-Account Josefine Quell: https://twitter.com/JosefineQuell .
Bibliographie
Jasmina Kuhnke (2021): Schwarzes Herz. Hamburg: Rowohlt.