Merlin & Arthus

– Wie wir manchmal unterschiedliche Serien sehen, wenn es wirklich dieselbe ist

CN Cisheteronormativität Sexismus Rassismus

Das Thema für diesen Beitrag spricht etwas an, was wohl viele queere Leser*innen und Zuschauer*innen kennen. Wir sehen eine Serie, einen Film oder lesen ein Buch oder bekommen eine Geschichte über irgendeinen anderen Weg mit und haben das Gefühl, dass die Story nur so vor Queerness trieft. Dann gucken wir in Rezensionen oder in die Wikipedia-Zusammenfassung und Queerness wurde nicht in einem Wort erwähnt. Andere, queer oder nicht queer, sprechen vielleicht auch darüber, dass sie davon nichts mitbekommen haben bei der Geschichte. Meine Neurodivergenz sorgt zusätzlich noch dafür, dass ich Geschichten häufig etwas anders verarbeite. Das hat in der Schule und im Studium für mich auch schon dazu geführt, dass mir erzählt wurde, dass meine Interpretationen unlogisch seien oder etwas anderes gemeint wäre. Das ist die Schönheit daran, wenn man einen eigenen Blog hat und sich seine Interpretationen selbst zusammenschreiben kann (auch wenn das Imposter Syndrom gerade bei Interpretationen schon hart kickt). Aber zurück zum Thema: Es gibt viele Faktoren in unserem Leben, die beeinflussen, wie wir eine Geschichte verstehen. In der Literaturwissenschaft gibt es daher auch diverse Ansätze, Geschichten zu interpretieren. Es gibt feministische Lesarten, queere Lesarten, autobiographische Ansätze und vieles mehr.

Die Serie „Merlin – die neuen Abenteuer“

Nun habe ich vor einiger Zeit die Serie „Merlin – die neuen Abenteuer“ auf Netflix gesehen. Die gibt es in mehreren Sprachen, was ich ganz spannend fand. Es kommen viele Schimpfwörter vor, die man im Alltag wahrscheinlich eher selten hört. Gut, um das Schimpfwörter-Repertoire in anderen Sprachen aufzustocken! Die Serie basiert auf der Arthus-Legende. Es geht um den Zauberer Merlin und seinen König Arthus. Lancelot kommt vor, das berühmte Schwert im Stein kommt vor und viele andere Figuren und Szenen, die einem auch mit wenig Erinnerung an die Geschichten um die Arthus-Legende irgendwie bekannt vorkommen.

Ein paar Probleme der Serie

CN Rassismus, Sexismus

Beim Sehen der Serie sind mir einige Dinge aufgefallen. Zuallererst: Frauen und BIPoC scheinen keine oder nur eine geringe Rolle zu spielen und werden vermehrt für Rollen von den „Bösen“ eingesetzt. Gwen, die WoC ist, startet als Dienerin in die Serie. Sie wird häufig schlecht behandelt, bleibt aber dennoch treu und arbeitet sich hoch. Das vermittelt ein Bild, das auch mit dem Ritterzeit-Setting nicht mehr zu erklären ist. Auch an anderen Stellen bekam ich als Zuschauer*in das Gefühl, dass die Serie betonen wollte, dass Änderung nur von Innen und über Zeit möglich ist und dass zu großer Protest gegen den Status-Quo der Sache eher schaden würde. Das ist ein Weltbild, dem ich so nicht zustimmen möchte. Auch der Umgang mit Merlin, der über die längste Zeit der Serie als Diener agiert, ist nicht gut. Dies lässt sich Merlin aber gefallen. Beide, Gwen und Merlin, erklären immer wieder, dass die Dinge eben so seien und es ihre Aufgabe wäre. Aber wer davon abweicht, wird im Zweifelsfall auch von Gwen und Merlin bekämpft…

Eine heteronormative Geschichte im Vordergrund

Nun aber zur (nicht vorhandenen?) Queerness. In der Geschichte werden romantische Beziehungen nur zwischen Männern und Frauen dargestellt. Sexuelle Szenen gibt es (im kompletten Gegensatz zu z.B. Bridgerton) überhaupt nicht. Es wird offen auch nur von romantischer Liebe zwischen Frauen und Männern gesprochen. Die Beziehung zwischen Merlin und Arthus ist formal die zwischen Diener und seinem Herrn. Ab und zu sprechen Merlin und Arthus darüber, dass sie unter anderen Umständen Freunde sein könnten. Dass sie sich dennoch näherstehen als Diener und sein Herr, wird in einigen Szenen deutlich. Auch Arthus‘ Vater und Gwen sprechen mehrfach an, dass die Verbindung zwischen den beiden sehr stark zu sein scheint. Merlin erklärt dies bis zum Ende für „seine Aufgabe“. Manche Rezensionen sprechen an dieser Stelle von „brotherhood“ (Link 1). Es gibt auch eine Mentor-Mentee Beziehung zwischen Merlin und Gaius, dem Hofarzt, bei dem Merlin zu Beginn der Serie einzieht.

Eine queere Geschichte hinter dem Vorhang?

Auf einem zweiten Blick geht es um einen jungen Mann, der ein Geheimnis hat. Er kommt in eine neue Stadt, weil es zuhause auf dem Land Probleme gab, weil sein Geheimnis fast rausgekommen wäre. In der Stadt lebt er gefährlich, weil das Bekannt werden seines Geheimnisses ihm den Tod bringen würde, da darauf die Todesstrafe besteht. Er kommt bei einem Mann unter, der schon um einiges älter ist und den jungen Mann direkt durchschaut. Er erkennt sein Geheimnis sofort. Er war früher auch mal „so“, aber jetzt lebt er es nicht mehr aus. Das ist sicherer für ihn. Er bringt dem jungen Mann alles bei, was er zum Leben in der Stadt und zum Leben mit seinem Geheimnis braucht und gibt ihm Bücher zum Lesen. Eines Tages trifft der junge Mann auf einen anderen in ungefähr seinem Alter. Dieser ist arrogant, eingebildet, hält sich für den stärksten, beliebtesten und bestaussehendsten Kerl in der Gegend. Sie streiten und kämpfen. Weil der junge Mann, der neu in die Stadt kam, dem anderen aber irgendwann das Leben rettete, wird er zum Diener des anderen erklärt (als Belohnung?!), da der andere der Sohn des Königs ist. Der Diener kann dem Prinzen nicht die Wahrheit über sein Geheimnis sagen. Trotz allem beschützt er den Prinzen mit allem was er kann. Auch wenn er dafür nie Lob bekommt, da sonst sein Geheimnis rauskommen würde. Er bringt sich selbst mehrfach in Lebensgefahr für den Prinzen. Manchmal liegt er auch schweißgebadet im Bett und ruft seinen Namen (okay, das ist sehr aus dem Kontext gezogen!). Wenn der Prinz Dates hat, ist sein Diener immer dabei. Ständig sprechen Leute den Diener darauf an, dass er viel mehr tut, als was von ihm als Diener erwartet würde. Selbst seine eigene Mutter, der König, die Dates des Prinzen und alle anderen, die den beiden irgendwann über den Weg laufen. Auch der Prinz strengt sich mit der Zeit mehr an, seinen Diener am Leben und bei sich zu behalten, als es normal für Diener wäre. Auch dies wird vom König und von anderen Figuren immer wieder angesprochen.

Nun könnte das alles damit erklärt werden, dass die beiden ein hohes Pflichtbewusstsein haben. Merlin kennt einige Vorhersagen, die besagen, dass er bei Arthus bleiben muss, damit dieser später als König Veränderungen bringt. Arthus geht auch mit anderen Figuren in seinem Umfeld etwas besser um, als es andere Figuren erwarten würden. Und mit der Zeit wachsen auch Diener und Herr sich gegenseitig ans Herz, wenn sie Abenteuer miteinander erlebt haben. Und mit brotherhood lässt sich bestimmt auch einiges erklären.

Wir haben aber Szenen, in denen Merlin stöhnend und schweißgebadet im Bett liegt (ja, offiziell von einer Vergiftung) und Arthus‘ Namen ruft. Gleichzeitig sammelt Arthus für Merlin Blumen (ja, als Gegenmittel gegen die Vergiftung) und widersetzt sich damit dem König und wird dafür im Nachhinein vom König eingesperrt.

Alles was gezeigt wird, lässt sich mit einigen Sachen erklären. Aber wenn wir mit einer queeren Linse über die Geschichte gucken, merken wir, dass die Geschichte eine Menge queeres Material bietet. Während ich die Serie geguckt habe, habe ich Freunden, die die Serie nicht kannten, immer wieder Updates geschickt, was Neues extrem queeres passiert ist. Dabei habe ich die Szenen mit einer queeren Linse wiedergegeben. Wenn wir Magie als Metapher für Queerness nehmen und die Loyalität von Merlin zu Arthus unter romantischeren Gesichtspunkten sehen, entsteht eine komplette Lage neuer Interpretationen dazu, was in der Serie geschieht. Als ich halb durch die Serie durch war, habe ich mich gefragt, wann die beiden sich endlich die Liebe gestehen. Die Queerness zwischen den Zeilen war für mich so eindeutig, dass ich erwartet hatte, dass diese nicht nur zwischen den Zeilen angesprochen wird, sondern auch in den Zeilen zum Vorschein kommt. Das passierte so aber nie.

Und die Cis-Normativität?

Ich habe jetzt vor allem von Queerness im Sinne von Anzeichen für Romantik zwischen Merlin und Arthus gesprochen (und die interessante Mentoren-Dynamik mit Gaius in einem Zwischenpunkt erwähnt). Es gibt Szenen, in denen sich Merlin in eine Frau verwandelt und Kleider trägt. Es gibt auch eine Szene, in der es heißt, dass alle Männer angegriffen worden seien. Nur Gwen und Merlin sind verschont blieben. Gwen wunderte sich darüber, dass die beiden verschont geblieben waren. Merlin erklärte dies damit, dass nur Männer angegriffen worden waren. Gwen sprach an, dass Merlin aber ja auch verschont geblieben ist. Das winkte Merlin ab, weil er ihr den wahren Grund nicht nennen konnte. In der Geschichte wird dies damit erklärt, dass er wegen der Magie nicht angegriffen werden konnte. Wenn wir Magie aber mit Queerness verbinden, klingt das nach einer Szene, in der thematisiert wird, dass Merlin trans ist?

Viele mögliche Interpretationen

Von außen kann ich niemals einer Person attestieren, ob sie trans, schwul, bi, aromantisch oder genderfluid ist oder ein anderes queeres Label für die Person passt. Ob für eine Person queere Label passen und welches es sind, kann nur die Person sagen, um die es geht. Da wir bei einer Geschichte mit fiktiven Charakteren aber keine Identitäten in der Realität haben und es sich hier um Kunst handelt, die interpretiert werden darf, würde ich dieser Serie eine zweite Lage, die komplett mit Queerness gefüllt ist, attestieren. Da sexuelle Aktionen in der Serie kaum eine Rolle spielt, könnte Asexualität bei einigen Figuren eine Rolle spielen. Dies wird aber mit den üblichen Mitteln unsichtbar gemacht, zumindest, soweit ich das gesehen habe. Da keine offene romantische Anziehung zwischen Merlin und Arthus thematisiert wurde, kann es sich hier auch um einen Squish handeln oder eben wirklich einfach „um zwei sehr gute Freunde“. Dass Merlin nicht wie das Stereotyp Mann agiert, kann ihn auch einfach gender-nonconforming machen. Nicht jede Person, die den Geschlechtsstereotypen nicht entspricht, ist direkt trans.

Was machen wir daraus?

Aber diese Punkte sind eben auch das Ding, weshalb Queerness, die nur zwischen den Zeilen steht, so schwierig ist. Eine Person liest diese Interpretation vielleicht gar nicht raus. Eine andere Person argumentiert damit, dass nicht jede Person, die den Geschlechtsstereotypen nicht entspricht, trans ist. Das heißt, die Queerness, die man aus der Geschichte rauslesen kann, ist sehr instabil. Jeder Punkt lässt sich auch durch etwas anderes erklären. Queere Repräsentation braucht daher auch Geschichten, die nicht nur zwischen den Zeilen Queerness zeigen, sondern auch ganz offensichtlich ohne zweite Ebene und ohne doppelten Boden.

Wenn ich diese Serie sehe, sehe ich eine sehr queere Story. Manche Rezensionen (wie die verlinkte) zeigen mir aber auch, dass es andere Ansichten dazu gibt. Wenn ihr mögt, gebt mal „Merlin queer coding“ in eine Internetsuchmaschine ein… Die Serie existiert schon etwas länger, weshalb schon sehr viel dazu gesagt wurde. Auch die möglichen Wege, Queerness in die Geschichte zu interpretieren wurden an anderen Stellen viel intensiver besprochen. Mein Anliegen war es, diese Serie als Beispiel zu nehmen, um anzusprechen, dass es passieren kann, das zwei Personen dieselbe Geschichte hören können und zwei sehr unterschiedliche Stories davon mitnehmen.

Hier gibts eine Reddit-Diskussion darüber, ob es sich um Queerbaiting handelt: Reddit-Diskussion (Link 2). Es gibt auch Storylines, die lesbische Identitäten nahelegen. Über die lesbische Storyline haben andere schon geschrieben (Link 3). Aus meiner Sicht ist die lesbische Storyline subtiler. Es fällt auf, dass der alten Religion vor allem Frauen anhängen, die alle Magie ausüben. Es wird hier aber von der Queerness nochmal anders abgelenkt. Ein Symptom davon, dass Queerness bei Frauen eher unsichtbar gemacht wird.

Habt ihr die Serie gesehen? Wenn ja, wie habt ihr die Geschichte verstanden? Schreibt mir dazu gerne eine E-Mail an home@josefine-quell.de oder kontaktiert mich über Twitter!

Links:

Link 1: https://fellowshipandfairydust.com/2018/08/03/magic-brotherhood-and-destiny/

Link 2: https://www.reddit.com/r/merlinbbc/comments/owcca7/did_merlin_as_show_queer_bait/

Link 3: https://lesbian-morgana.tumblr.com/

Sexualität, Emotionen und lesbische Sichtbarkeit in „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ von 永田カビ (Nagata Kabi)

Rezension zum Manga – übersetzt aus dem Japanischen ins Deutsche von Nadja Stutterheim

In dem Manga „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ von 永田カビ (Nagata Kabi) geht es um eine Hauptfigur, die ihr Studium abgebrochen hat, Depressionen und eine Essstörung hat und versucht einen Weg fürs Leben zu finden, mit dem die Hauptfigur, im deutschsprachigen Text einmal als XX Nagata benannt, glücklich sein kann. Zu Beginn der Geschichte hat die Figur noch keine sexuellen Erfahrungen mit anderen Personen. Dies ändert sich als XX Nagata sich dafür entscheidet, zu einer Prostituierten zu gehen. Wie der Titel des Mangas „meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ schon vermuten lässt, steht bei der Geschichte die lesbische Erfahrung im Fokus.

In dieser Rezension werde ich auf den Plot der Geschichte eingehen. Was die Geschichte aber ganz besonders macht, sind die Gefühle und Emotionen, die darin rübergebracht werden. D.h., auch wenn ich über die wichtigsten Handlungen in der Geschichte schreibe, der Kern der Geschichte im Buch selbst zu entdecken bleibt, nämlich die Gefühle und Emotionen. Genauso faszinierend sind die kleinen Schritte, die dafür sorgen, dass die einen Dinge zu den anderen führen.

Content Notes: Nennung von Depressionen, Essstörungen, Einstellung zu Körper, Selbstverletzung

Wer Interesse daran hat, diesen Manga zu lesen, sollte sich klar sein, dass sehr viele Emotionen und Gedanken, die mit den Depressionen, Essstörungen, der Einstellung der Hauptfigur mit ihrem Körper und weiteren Problemen wiedergegeben werden. Auch Selbstverletzung wird thematisiert. Ich halte es für wichtig, dass diese Themen angesprochen werden und dass diesen Lebenserfahrungen Raum gegeben wird, also, dass sich diese Geschichten angehört werden. Gleichzeitig kann es aber auch weiter triggern, weshalb ich es an dieser Stelle einmal angesprochen haben wollte.

Zur Einführung in die Geschichte

Die Hauptfigur leidet, hat Probleme mit Jobs, mit anderen Menschen und mit ihrer Psyche. Eines Tages liest XX Nagata, dass psychische Probleme auch mit der Sexualität zusammenhängen könnten. Der Figur fällt auf, dass sie sich Gedanken über Sexualität nie erlaubt hat. Dies bringt die Gedanken ins Rollen. Ein Schritt führt zum anderen und es endet damit, dass die Figur einen Termin mit einer Prostituierten abmacht.

Es geht in diesem Manga darum, wie sich die Hauptfigur bei ihren Erfahrungen fühlt. Es geht nicht darum, eine erotische Fantasie zu verkaufen, sondern die Umstände hinter der Fantasie anzusprechen und zu zeigen, wie sexuelle Begegnungen ablaufen können. Es geht um das erste Mal der Hauptfigur und wird sehr detailliert beschrieben bzw. mit den Zeichnungen gezeigt. Und es wird gezeigt, wie messy das erste Mal sein kann.

Über Gefühle und Emotionen in einer Geschichte sprechen

Ich mag den Erzählstil. Der Fokus liegt auf Gefühlen, nicht auf der Action oder reiner Erregung. Es geht auch um Zweifel, Hemmungen, Einsamkeit. Wenn man sich so von anderen Personen distanziert, dass Kommunikation quasi nicht stattfindet, ist es auch schwierig Sexualität auszutesten. Bücher, online Texte und Twitter helfen der Hauptfigur, trotzdem ihren Weg zu finden. Die Problematik, dass strukturelle Aufklärung zu Themen der Sexualität fehlt, wird auch angesprochen. Wie kann lesbische Sexualität aussehen? Wie sieht Selbstbefriedigung aus? Und wie unterscheidet sich Sexualität in der realen Welt im Vergleich zur Fiktion aus? Diese Fragen werden gestellt und sie sind hochaktuell für viele Menschen.

Kommunikation in der Einsamkeit

Die Hauptfigur hat sich im Laufe der Geschichte dazu entschieden, ihre Geschichte in Form eines Mangas niederzuzeichnen und zu veröffentlichen. Dies scheint mir ein schöner Weg zu sein, die eigene Geschichte loszuwerden und wieder neue Verbindungen in die Außenwelt zu schaffen. Das Buch wurde zuerst 2016 in Japan veröffentlicht. Jetzt mit den Maßnahmen wie Social Distancing ist es wahrscheinlich, dass noch viel mehr Menschen ähnliche Gefühle haben wie die Hauptfigur. Vielen fällt es schwer, mit anderen zu connecten. Aber das Buch zeigt auch, dass es auch da Wege gibt. Wir können über das Internet mit einer Menge Personen kommunizieren, auch wenn wir uns in der offline Welt nicht trauen oder nicht mit Nähe wohlfühlen. Aber dass die Geschichte nicht in einem Pandemiesetting spielt, zeigt eben auch, dass es auch ohne Social Distancing schon Personen gibt, die Schwierigkeiten mit dem Connecten mit anderen Personen haben. Es hilft dabei, darüber nachzudenken, wie unterschiedlich Menschen durch ihr Leben laufen. Aber auch welche Rolle die Repräsentation von unterschiedlichen Lebensweisen in den Medien spielt.

Repräsentation

Diese Geschichte schafft Repräsentation in den Medien. Sie schafft Aufmerksamkeit für Einsamkeit, psychische Probleme, Hemmungen, Unsicherheiten mit Menschen und Sexualität. Das Buch normalisiert auch lesbische Sexualität und Prostitution.

Zur Prostitution: Durch den Erzählstil wird die Prostitution nur aus Sicht der Hauptfigur gezeigt. Was diese mitbekommen hat, ist das, was den Lesenden gezeigt wird. Der Fokus ist hier nicht, zu zeigen, wie die Prostitution funktioniert, sondern darauf, wie die Hauptfigur mit ihrer Sexualität umgeht.

Über den Verlag und die deutsche Übersetzung

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Ein Blick ins Carlsen Manga Angebot zeigt, dass Queerness (u.a. die Kategorie „Boys Love“) im Manga-Teil des Verlagsprogramms eine Rolle zu spielen scheint. Bei der Gestaltung der deutschen Version des Mangas „Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit“ wurde darauf geachtet, das ursprüngliche Design von Mangas mit dem Buchrücken auf der rechten Seite und Sprechblasen, die von rechts nach links gelesen werden, beizubehalten. An ein paar Stellen wurden Begriffe extra erklärt, damit auch ein deutschsprachiges Publikum ohne viele Vorkenntnisse zur japanischen Gesellschaft und Kultur der Geschichte folgen können. Was nicht klar wird, ist, weshalb die Hauptfigur im Text über sich selbst sagt, dass sie nicht als Frau angesehen werden möchte, aber dann im Buchrücken in der „sie“ Form und mit dem Begriff „Frau“ über XX Nagata geschrieben wird. Ich habe in diesem Text daher darauf geachtet nur „sie“ zu schreiben, wenn es sich auf „die Figur“ bezieht und ansonsten Pronomen wegzulassen und XX Nagata als selbstgewähltes Pseudonym der Hauptfigur als Namen zu verwenden. Die deutschsprachigen und englischsprachigen Medien scheinen sich einig dabei zu sein, sie/ihr bzw. she/her Pronomen und die Bezeichnung „Frau“ zu verwenden. Japanischsprachige Quellen scheinen hier aber andere Formen nahezulegen.

Wer Japanisch versteht sei daher herzlich dazu eingeladen, den Text im Original zu lesen und mit den Übersetzungen und den Medientexten über den Text in deutsch- und englischsprachigen Räumen zu vergleichen.

In diesem Atemzug sollte auch erwähnt werden, dass bei der deutschsprachigen Version des Mangas die Reihenfolge der Namen von 永田カビ (Nagata Kabi) gewechselt wurde. Dies wird mit japanischen Namen im Deutschen häufig gemacht, da die Reihenfolge von Familienname und Rufname im Japanischen umgekehrt zu der Reihenfolge im Deutschen ist. Ich habe mich für diesen Text dafür entschieden, die Reihenfolge der Namen aus dem Original zu verwenden. Asiatische Namen werden viel zu häufig für weiße europäische Räume verändert.

Empfehlung

Ich würde jeder Person, die mit den Content Notes klarkommt, empfehlen, den Manga zu lesen. Besonders empfehlen kann ich den Manga den Personen, die eine Verbindung zu Lesbianism haben oder sich über das Thema interessieren.

Was ich sehr süß fand, ist, dass die Hauptfigur davon erzählt hat, Twitter viel zu benutzen. Der Manga gilt übrigens als biografisches Werk (Aussage z.B. vom Buchrücken). Dies scheint auch durch die Wahl des Pseudonyms für die Hauptfigur, das dem Pseudonym von 永田カビ (Nagata Kabi) ähnelt, durch 永田カビ (Nagata Kabi) selbst nahegelegt zu werden.

*** Thank you note ***

An dieser Stelle möchte ich Aisha für die Informationen über das japanische Pronomensystem und die Recherche zu dem Manga im Japanischen danken. – I want to thank Aisha for their help to get a grasp of the Japanese pronouns and their use around this manga for this review.

Linksammlung:

Link zur deutschsprachigen Ausgabe beim Carlsen Verlag: https://www.carlsen.de/hardcover/meine-lesbische-erfahrung-mit-einsamkeit/978-3-551-76277-1

Japanischsprachiger Twitter-Account von 永田カビ (Nagata Kabi): @gogatsubyyyo https://twitter.com/gogatsubyyyo


Japanischer Titel des Mangas: 『さびしすぎてレズ風俗に行きましたレポ』(Quelle: Twitter-Account @gogatsubyyyo) (Als Beispiel verlinke ich hier die japanische Amazon-Seite zum Manga.)

Zur englischsprachigen Ausgabe „My Lesbian Experience with Loneliness“: https://sevenseasentertainment.com/2016/10/28/seven-seas-entertainment-proudly-announces-my-lesbian-experience-with-loneliness-manga/