Mia und Camila lernen sich bei einem Schachturnier kennen. Mia nimmt dort nur teil, um etwas Zeit mit einer Freundin verbringen und um Sightseeing in Paris machen zu können. They ist nicht unbedingt begeistert von Schach. Im Gegensatz dazu ist Camila tief in der Theorie drin und zeigt diese Mia voller Begeisterung.
Camila kommt gerade aus einer komplizierten Beziehung, während Mia einen ganzen Sack voll schlechter Erfahrungen aus früheren Beziehungen mit sich trägt. Wenn die beiden Zeit miteinander verbringen, merken sie aber, dass sie sich so viel besser fühlen. Zeit allein zu verbringen, fühlt sich nicht mehr richtig an, wenn sie auch Zeit miteinander verbringen können.
Während die beiden sich kennenlernen, wohnt Camila unter anderem noch mit ihrer Ex zusammen, die Mia als Problem ansieht. Wie gehen die beiden die aktuelle Situation an und wie gehen sie mit der Vergangenheit um? Auf ihrem Weg helfen sie einander sogar, neue queere Seiten von sich selbst kennenzulernen. In dem Text „Wertvoller als mein König“ begleiten wir Mia in dieser besonderen Situation.
Dieses Schreibprojekt ist aktuell ein „Work in Progress“-Projekt. Es gibt die Möglichkeit, über ein Ko-Fi-Abo („Unveröffentlichte Vorschau“) neben anderen Texten auch eine Vorschau zu den ersten Teilen des Projektes „Wertvoller als mein König“ zu bekommen: https://ko-fi.com/josefine0200.
Wenn ihr Interesse an dem Projekt habt, lasst mich dies gerne wissen. Ihr erreicht mich über home@josefine-quell.de.
In dem Buch geht es, wie der Titel schon sagt, um verschiedene Perspektiven auf Aromantik und Asexualität. Grundlagen werden aufgearbeitet, historische Kontexte werden dargestellt, andere queere Label werden erklärt und einige aro und ace Personen kommen zu Wort. Die Inhalte bringen einen zum Nachdenken und sind großartig, wenn man nochmal die eigenen Label hinterfragen oder Hintergründe zu Aromantik und Asexualität besser verstehen möchte.
Im Interview haben wir über Aromantik und Asexualität, über Hintergründe zum Buch und über das Dasein als Schreibende gesprochen.
Jo: Euer Buch hatte gerade einjähriges Jubiläum und wie ich hörte könnte es eine zweite Auflage geben. Wie fühlt sich das für euch an? Katha: Um ehrlich zu sein: ziemlich irreal! Aber auch sehr toll. Mein Anliegen war es, zusammen mit Anni ein Buch zu produzieren, das Menschen nicht enttäuscht, das sie vielleicht sogar so hilfreich finden, dass sie es weiterempfehlen. Ich hoffe, dass die zweite Auflage ein Hinweis darauf ist, dass wir eine Ressource geschaffen haben, die von den aro und ace Communities als hilfreich, informierend und vielleicht auch empowernd wahrgenommen wird und die auch allo Personen erreicht. Außerdem hoffe ich, dass die Notwendigkeit einer zweiten Auflage ein Zeichen dafür ist, dass zumindest in Teilen der Gesellschaft ein Bedürfnis danach besteht, mehr über Aromantik und Asexualität zu lernen.
Anni: Es fühlt sich ziemlich surreal an, wenn ich lang genug darüber nachdenke. Ansonsten überraschend unspektakulär – aber zeitgleich auch total seltsam und toll? Es ist schwer zu beschreiben, aber ich bin eh nicht sonderlich gut darin, meine Gefühle zu benennen. Weil wir für die zweite Auflage das Buch nochmal überarbeiten wollten, habe ich es neulich selbst nochmal gelesen, das war wild. Ich habe so viel gelernt! Das war auch total schön.
Jo: Ihr seid in einem Twitter-Thread darauf eingegangen, wie es zu dem Buch kam. Unter anderem nennt ihr den Frust, dass keine vergleichbaren Bücher auf Deutsch zum Thema existierten. Sind euch bei der Recherche noch andere Themen aufgefallen, bei denen es ähnlich ist? Zu welchen verwandten Themen bräuchte es nach eurer Meinung noch mehr Recherchen und noch mehr Literatur?
Anni: Ich stelle immer mal wieder fest, dass es große Gemeinsamkeiten im Umgang zwischen Aromantik, Asexualität und Nichtbinarität gibt. Das liegt jetzt vielleicht an mir, aber da ging mein erster Gedanke hin. Mir fallen zwar mittlerweile eine Handvoll Bücher oder andere Sachtexte zum Thema Nichtbinarität ein, aber insgesamt zu wenige. Und während es zu Asexualität mittlerweile, vor allem auf englisch, immer mehr Bücher und andere Texte gibt, hängt Aromantik da noch ziemlich hinterher (wobei das natürlich auch exakt unser Thema ist, aber es bot sich an, das nochmal zu erwähnen).
Katha: Ich bin gierig und würde diese Frage gerne mit „All of the things!“ beantworten. Wenn ich mir ein ganz konkretes Beispiel rauspicke, würde ich die Intersektion von Asexualität, Behinderung und Desexualisierung nennen. Das ist selbstverständlich ein großes Thema mit noch größerer Nuance – ich glaube aber, dass es an dieser Kreuzung ungemein viel Positives, Bestärkendes zu entdecken gibt und die jeweiligen Communities besser daran täten, asexuelle behinderte und/oder neurodivergente Personen zu unterstützen und von ihnen zu lernen.
Jo: Was hat euch beim Schreibprozess am meisten Spaß gemacht? Anni: Ich habe mich immer total gefreut, wenn sich durch unsere Recherche für mich etwas auf einmal ergeben hat oder wenn ich für mich ein neues Wort gelernt habe, mit dem ich meine eigenen Erfahrungen beschreiben konnte. Ein Beispiel dafür ist Singlism. Und es hat natürlich Spaß gemacht, wenn wir uns mit schönen Dingen befassen konnten, zum Beispiel als wir von Emma Trosse erfahren haben. Total spannend fand ich für mich persönlich auch die Recherche zur Geschichte der Romantik, zu Polyamorie und zu verschiedenen Anziehungsformen, weil mir das alles nochmal ganz neue Blickwinkel auf mich selbst eröffnet hat.
Katha: Hmm. Für mich ist es zum Einen das viele Lernen durch intensive Recherche, bei der ich so viele Zusammenhänge zum ersten Mal verstanden habe, das nächtelange Durch-historische- Quellen-Gestöber auf der Suche nach Hinweisen auf Asexualität und ihre Konzeptualisierung im letzten und vorletzten Jahrhundert. Zum Anderen auf jeden Fall die enge Zusammenarbeit mit Anni! Wir haben fast täglich telefoniert und den Text wirklich gemeinsam geschrieben – da blieb ein gegenseitiges Rösten für Typos und ungünstige Formulierungen nicht aus. (Mein Favorit: überweltigt statt überwältigt.)
Jo: Was war beim Schreibprozess am schwierigsten für euch? Katha: In erster Linie mein Perfektionismus und das Bedürfnis, Sachverhalte so klar und offen wie möglich zu formulieren – für mich hat sich jedes einzelne Wort unglaublich wichtig angefühlt, ich musste für jede Formulierung alle möglichen Konnotationen und Verständnisse durchgehen, bevor ich sie in Ruhe lassen konnte. Das hat den Arbeitsprozess selbstverständlich sehr in die Länge gezogen, gleichzeitig hoffe ich, dass das Endprodukt unsere Bedachtsamkeit und Bewusstsein für Sprache zumindest ein wenig reflektiert. Anni: Kurze Sätze! Und der gesamte Diskriminierungs-Teil, vor allem das Pathologisierungs- Kapitel, weil wir selbst viele dieser Erfahrungen auch kennen und durchlebt haben und manchmal während des Schreibprozesses durchlebt haben. Das dann so auseinanderzunehmen und möglichst sachlich darzulegen und verständlich zu machen, war nicht immer einfach.
Jo: Ihr wart beim Schreibprozess als Duo aktiv und führt auch eure Social Media Accounts zu zweit. Wie würdet ihr eure Zusammenarbeit beschreiben? Wie schafft ihr es so lange so gut zusammenarbeiten zu können? Anni: Das ist eine verdammt gute Frage! Ich glaube, dass sich unsere Arten und Weisen einfach zufällig recht harmonisch ergänzen, da hatten wir echt Glück. Wir waren aber auch von Anfang an sehr professionell miteinander – also, freundlich und auch mal lustig oder persönlich (gerade das Persönliche und Private bleibt bei der Thematik ja irgendwie nicht aus), aber ich glaube, wir hatten auch immer im Hinterkopf, dass wir ein Team sind, und hatten das gemeinsame Ziel vor Augen. Wir haben immer ganz, ganz viel über alles mögliche geredet und sind mittlerweile auch gut befreundet, würde ich sagen, aber unsere Beziehung wirkt auf mich immer noch irgendwie sehr professionell – im besten Sinne des Wortes, also rücksichtsvoll, offen und ehrlich, wir wissen auch, dass wir miteinander sehr kritisch sein dürfen und können, wir achten gegenseitig auf unsere Grenzen. Wir ergänzen uns auch irgendwie sehr gut und wenn eine Person keine Zeit oder Energie oder Ideen hat, hat die andere vielleicht gerade etwas mehr.
Katha: Ich glaube, unsere Zusammenarbeit funktioniert deshalb so gut, weil wir mehr als nur Freunde sind. (Haha, ich warte schon so lange auf eine Gelegenheit für diesen schlimmen Witz D: Ich bitte um Entschuldigung.) Wir haben uns über die Zusammenarbeit kennengelernt und sind dann Freund_innen geworden – wir sind auf vielen verschiedenen Ebenen Partners in Crime. Das hat es einfacher gemacht, auch mal zu kommunizieren, wenn wir nicht so begeistert von einer Idee waren wie die andere Person. (Außerdem ist Anni einfach unglaublich nett und lieb und geduldig und lustig und hilfsbereit und unterstützend und insgesamt toll.)
Jo: Eine rein theoretische Frage: Wie würdet ihr Elternteilen den Begriff „Kink“ erklären? Anni: Hehehehehehe, Katha, willst du? *rüberzwinker* So ganz ohne Vorbereitung hätte ich wirklich keine Ahnung; ich glaube, ich würde auf Beispiele zurückgreifen mit dem Ziel, die Vielseitigkeit von Kink aufzuzeigen.
Katha: Ahhhrgh, ich war dem doch so schön entronnen! Wir werden es wohl in der zweiten Auflage rausfinden 😉
Jo: Die Themen Aromantik und Asexualität haben je nachdem mit wem man spricht ganz unterschiedliche Formen. Was denkt ihr ist ein wichtiger Aspekt dabei damit umzugehen, wenn man mit diesen Themen arbeitet? Anni: Ich empfinde es als hilfreich, wenn am Anfang klar gemacht wird, mit welchem oder welchen Verständnissen eins arbeitet. Ich glaube, das habe ich total aus dem Studium übernommen: erstmal Begriffe definieren, zumindest als Arbeitsdefinition, danach kann’s weitergehen. Aber es ist halt auch ein Unterschied, ob ich zum Beispiel sage: „Für mich bedeutet aroace-Sein, dass ich keinerlei romantische oder sexuelle Anziehung empfinde und dass ich mit Romantik als Konzept überhaupt nichts anfangen kann“ oder ob ich behaupte, dass das die geläufige Definition davon sei und alle anderen Verständnisse einfach ignoriere oder ausblende. Die Vielfältigkeit von Aromantik und Asexualität mitzudenken (und sich nicht nur darauf berufen, dass eins am Anfang mal darauf verwiesen hat, dass das ein Spektrum ist, aber nicht weiter darauf eingeht, was das bedeutet) ist glaube ich ein ganz furchtbar wichtiger Aspekt.
Katha: Ich denke, es ist wichtig, darüber zu kommunizieren, welche Verständnisse es von diesen Orientierungen gibt und dass es keine ‚falsche‘ Art gibt, aromantisch und/oder asexuell zu sein. Wenn es um Aufklärungsarbeit geht, legen wir beiden sehr viel Wert darauf, nicht nur unsere Perspektive und unser Erleben vorzustellen, sondern viel eher zu vermitteln, dass es unendlich viele verschiedene Wege gibt, aromantisch / asexuell zu sein, dies zu definieren und zu fühlen und dass dies auch gut so ist!
An dieser Stelle möchte ich mich nochmal bei den beiden für das großartige Interview bedanken!
Buchcover „(Un)sichtbar gemacht – Perspektiven auf Aromantik und Asexualität“
Solltet ihr Interesse an dem Buch bekommen haben, geht es hier zur Verlagsseite des Buches. Es ist auch möglich, Katha und Anni über Social Media zu folgen:
Zum Spielen wird ein Würfel benötigt, Würfelapps oder Ähnliches gehen aber natürlich auch!
Ich habe eine kleine Anleitung für ein Spiel erstellt mit dem die Formen von Neopronomen geübt werden können. Um die grammatischen Begriffe leichter verstehen zu können, ist der Anleitung auch eine Tabelle mit Beispielsätzen beigefügt. Für andere Sets von Neopronomen muss einfach nur das Pronomen in den Sätzen ausgewechselt werden.
Bei der Anleitung handelt es sich um eine frühe Version. Es wurden schon ein paar Probleme in der Anleitung behoben, trotzdem gibt es noch einige Möglichkeiten, die Anleitung so zu verändern, dass sie einfacher zu verwenden ist (z.B. mit mehr Beispieltabellen für andere Sets von Neopronomen).
Valeria kam zu mir angeschwommen, „wann wirst du es em denn erzählen?“
Ich trieb zwischen Hölzern nah am Meeresgrund und suchte gerade ein paar Algen fürs Abendessen zusammen.
„Dass em meine Gedanken nicht mehr verlässt, seitdem em mich so lieb in Empfang genommen hat, als ich die Welt über dem Wasser verlassen hab und hierhergekommen bin?“
„Zum Beispiel“, sagte Valeria und sammelte nun auch ein paar Tierchen ein.
„Erinnerst du dich noch daran, als ich em von meiner Geschichte erzählt habe? Ems Gesicht hat gestrahlt und em hat mich in den Arm genommen und sich darüber gefreut, dass ich hier angekommen bin.“
„Das passiert dir nicht oft, oder?“, fragte Valeria und überreichte mir die Resultate der Sammlung.
„Noch nie“, sagte ich und band alles fürs Abendessen zusammen. „Und egal, was passieren wird, diese Reaktion wird mir immer in der Flosse bleiben.“
Rezension zum Buch „(un)sichtbar gemacht – Perspektiven auf Aromantik und Asexualität“ von Annika Baumgart und Katharina Kroschel
CN Unsichtbarkeit und Erasure von Aromantik und Asexualität (besonders bei Aromantik), Nennung von Diskriminierung, Pathologisierung, Vorurteilen und Klischees
(Hinweis: Anders als im Buch selbst, werden in dieser Rezension nicht alle Label und Begriffe erklärt. Hierfür würde ich das digitale Queer-Lexikon oder eben das Buch um das es geht, empfehlen. Dort werden alle wichtigen Begriffe sehr gut erklärt.)
Annika Baumgart und Katharina Kroschel schreiben über ihr eigenes Buch, dass es ein Einführungsbuch in die Thematik Aromantik und Asexualität sein soll und, dass es die Lesenden von verschiedenen Positionen abholen soll und diese dann gemeinsam durch die Inhalte des Buches führen soll. Ich muss sagen, dass dies sehr gut gelungen ist! Bevor ich aber darüberschreibe, wie meine Leseerfahrung mit diesem Buch war, möchte ich einmal über meinen Zugang zum Thema sprechen. Seit einiger Zeit weiß ich, dass ich ace bin und habe auch noch weitere queere Identitäten. Von einem Teil der besprochenen Themen bin ich also selbst direkt betroffen. Ich habe das Buch zur Zeit der Aromantic Spectrum Awareness Week gelesen, was ich ganz passend fand, weil ich durch das Buch viel über Aromantik gelernt habe, wozu ich zuvor noch nicht so viel wusste.
Nun aber zum Buch: Das Buch ist so aufgebaut, dass zu Beginn Definitionen zu den wichtigsten Begriffen besprochen werden. Es wird darauf eingegangen, dass die Label weit gefasst sind und auch Microlabel im demi- und gray-Bereich sind, darunterfallen. Es geht also um einen großen Schirm für viele mögliche Microlabel. Es wird auch betont, dass nur eine Person selbst über die Label entscheiden kann, die für einen genutzt werden. Das sorgt eben auch dafür, dass Grenzen zwischen Labeln verschwimmen können und bei unterschiedlichen Personen unterschiedlich aussehen können.
Diese Definitionen sind aus queerer Sicht wichtig, da normative patriarchale Systeme nur aufgebrochen werden können, wenn die Fremdzuweisung von Labeln gestoppt wird und Personen für sich selbst sprechen und entscheiden können. Auch haben mir die Definitionen nochmal die Augen geöffnet. Ich wusste, dass „keinen Sex haben“ und asexuell sein, nichts miteinander zu tun haben muss. Es kann sein, dass eine Person selten Interesse an sexuellen Handlungen hat oder einfach keine sexuelle Anziehung spürt. Dass von einem Spektrum gesprochen wird, zeigt, dass nicht jede Person mit demselben Label gleich fühlt oder handelt. Wenn ich selbst mich zum Beispiel beim Dating als ace oute, merke ich, dass nicht alle wissen, was das Konzept dahinter überhaupt ist. Auch werden im Buch einige Stereotype angesprochen und zerlegt. Damit fühlte ich mich gut abgeholt und hatte das Gefühl, am richtigen Platz zu sein.
Zur Aromantik wurde genauso beschrieben, dass Handlung, Gefühl und Anziehung auch in diesem Bereich nicht zusammenhängen müssen und auch hier Phasenweise Veränderungen möglich sind. Und dies war etwas, was mir die Augen geöffnet hat. Ich weiß nicht, wie viele von euch eine feste Vorstellung davon haben, was beispielsweise Verliebtsein und romantische Liebe bedeuten oder was gemeint ist, wenn Paare in einer romantischen Beziehung sich gegenseitig sagen, dass sie sich lieben. Ich für meinen Teil hatte für diese Konzepte immer Schwierigkeiten diese in Worte zu fassen. Als Teenager habe ich mit Freund*innen darüber diskutiert, was denn letztendlich den Unterschied zwischen Freundschaft und Beziehung ausmacht – Achtung, hier geht es um Beziehungsweisen, die müssen per se nichts damit zu tun haben, ob Personen aromantisch oder asexuell sind oder nicht. Wir haben diese Dinge diskutiert, weil ich Gefühle, die ich bei bestimmten Freund*innen und romantischen Partner*innen nicht voneinander unterscheiden konnte, obwohl klar aufgeteilt war, mit wem ich befreundet und mit wem ich in einer romantischen Beziehung war. Vermutlich hatte ich romantische Gefühle einfach für mehr Personen als ich dachte. Ich denke, dass dieses Beispiel ganz gut zeigt, wie Beziehungsweisen und Gefühle und Anziehung voneinander abweichen können. Auf diese Abweichungen gehen die beiden im Buch auch sehr schön ein! Freundschaften, queerplatonische Beziehungen und romantische Beziehungen werden beispielsweise besprochen.
Im ganzen Buch sind Erzählungen von Personen verteilt, die unter die Schirmbegriffe aromantisch und/oder asexuell passen. Die Erzählungen zeigen, dass das Leben nicht so geradlinig ist, wie Bücher es manchmal scheinen lassen. Es gibt Ehen, in denen nach vielen Jahren erst auffällt, dass eine der beteiligten Personen asexuell ist. Es kommen auch Partnerschaften vor, in denen auf einmal rauskommt, dass beide auf dem aromantischen Spektrum sind.
In dem Buch wird die Geschichte der Konzepte Aromantik und Asexualität und besonders die Rolle des Internets und tumblr Blogs, um nur ein Beispiel zu nennen, weil mich dies immer besonders fasziniert, besprochen. Diskriminierung, Vorurteile, Unsichtbarmachung werden besprochen. Beziehungsarten werden durchgegangen und auch Intersektionalität, also die Verbindungen mit anderen Marginalisierungen wie beispielsweise anderen queeren Identitäten werden auch thematisiert und veraltete Ansätze aus der Wissenschaft werden angesprochen und auseinandergenommen.
Vor ein paar Jahren hatte ich mal „Bi: Notes for a Bisexual Revolution“ von Shiri Eisner (auf Englisch) gelesen. Dort ging es um bi Identitäten und deren Zusammenspiel mit anderen queeren Identitäten und auch deren Bedeutung im Kontext mit Diskriminierung und politischem Aktivismus. Während ich nun das Buch von Annika Baumgart und Katharina Kroschel las, musste ich einige Male an das Buch von Shiri Eisner denken. Zwischen den Themen der beiden Bücher gibt es natürlich Überlappungen. Personen können bisexuell und aromantisch sein oder auch aromantisch mit biromantischen Überlappungen. Auch die Geschichte der Pathologisierung von queeren Identitäten und die häufig zitierten Modelle wie die Kinsey Skala werden durch die Nähe der Themen in beiden Büchern besprochen. Gleichzeitig werden aber auch Unterschiede deutlich. Während Shiri Eisner für ein internationales Publikum auf Englisch schreibt und den Israel-Palästina-Konflikt direkt vor der Haustür hat und dies so auch in die Inhalte des Buches einfließen lässt, schreiben Annika Baumgart und Katharina Kroschel für ein deutschsprachiges Publikum und zeigen Ausschnitte der Lebensrealitäten von eben auch deutschsprachigen Betroffenen, was die Inhalte unterschiedlich prägt. Und der Fokus ist natürlich ein anderer. Inhaltlich macht es eben einen Unterschied aus, ob über Asexualität und Aromantik gesprochen wird oder über bi Identitäten.
Bei der Aromantic Spectrum Awareness Week ist ein wichtiger Aspekt, dass Aromantik nicht als kleines Anhängsel von Asexualität angesehen wird. Die Darstellung der Geschichte der beiden Konzepte in dem Buch zeigt, woher dieses Phänomen kommt, dass die beiden Begriffe teilweise so verschmolzen werden und die Eigenständigkeit des Labels Aromantik bis heute in einigen Kontexten infrage gestellt wird. Da das Buch beide Label bespricht, kann natürlich die Sorge bestehen, dass auch hier wieder die Eigenständigkeit der Aromantik nicht genügend gewürdigt wird. Dieses Problem wird im Buch selbst nicht nur bei der Besprechung der Geschichte, sondern auch bei den Abschnitten zur Diskriminierung besprochen. Beim Lesen bekam ich das Gefühl, dass gerade der Kontrast zwischen den beiden Konzepten hilfreich war. So wurde ich als lesende Person immer wieder darauf gestoßen, dass es wirklich wichtig ist, die beiden Konzepte nicht in einen Topf zu werfen. Gleichzeitig kann ich auch verstehen, wenn dies für einige nicht genügt und diese sich beispielsweise Material wünschen, dass Aromantik ohne Asexualität bespricht. Genauso wie in der Aromantic Spectrum Awareness Week eben nicht auch noch Awareness für Asexualität geschaffen wird.
In diesem Punkt möchte ich auch noch einmal auf das Buch zu bi Identitäten von Shiri Eisner zurückgehen. Shiri Eisner bespricht Bisexualität, Biromantik und politische bi Identitäten in verschiedenen Abschnitten. Das verbindende Element, „bi“, steht im Titel, aber eben auch „bisexual“ im Untertitel. Beim Vergleich dieses Titels mit dem Titel, der Aromantik und Asexualität nennt, fällt auf, dass dies eine andere Wirkung hat. Ich vermag an dieser Stelle nicht darüber zu urteilen, was das bedeutet oder wie dies auch mit Diskursen zu den Labeln zusammenhängen könnte. Letztendlich kann es auch Zufall sein, wobei „(un)sichtbar gemacht“ als Titel ja doch zeigt, dass der Fokus des Buches ist, unsichtbare Identitäten sichtbar zu machen. Letztendlich kann ich nicht sagen, welche Gedanken sich an dieser Stelle gemacht wurden. Aber ich muss sagen, dass ich den Titel des Buches großartig gewählt finde. Der direkte Vergleich mit dem Buchtitel von Shiri Eisner ist auch deswegen nicht unbedingt fair, da dieses Buch aus den Jahr 2013 stammt, also ca. zehn Jahre Diskurs zu solchen Begrifflichkeiten auch noch dazwischenstehen.
Ich persönlich würde das Buch jeder Person weiterempfehlen, die Basics zur Thematik lernen möchte oder sich auch nochmal Lesehinweise für vertiefte Lektüre suchen möchte. Da auch einiges Allgemeines zu verschiedenen queeren Identitäten gesagt wird, habe ich mir schon überlegt, ob ich das Buch nicht auch einfach Bekannten empfehle, die die Basics zu queeren Identitäten noch nicht kennengelernt haben und über die Bedeutung und den Umgang mit Labeln und Diskriminierung vielleicht mal etwas lesen möchten. Damit zeigt sich, dass das Buch tatsächlich ein sehr gutes Einführungsbuch ist. Als teilweise selbst betroffene Person habe ich noch einiges Neues gelernt – und mich mal wieder selbst hinterfragt – und gleichzeitig kann ich mir gut vorstellen, wie das Buch eben auch für Personen ganz ohne Vorwissen hilfreich sein kann.
Buch:
Kroschel, Katharina & Baumgart, Annika. 2022. (un)sichtbar gemacht: Perspektiven auf Aromantik und Asexualität. Münster: Edition Assemblage.
Weitere zitierte Werke:
Eisner, Shiri. 2013. Bi: Notes for a Bisexual Revolution. New York: Seal Press.
Flo lag auf ehrm Bett. Es war Tag 768 an dem draußen nichts los war, weil immer noch Pandemie war. Natürlich gab es auch mal Tage, an denen Flo sich wieder mit Freund*innen treffen konnte, aber so richtig oft war das nicht. Flo träumte.
Es gab eine Zeit in ehrm Leben, da war Flo glücklich. Es war schon etwas her, mindestens 769 Tage. Flo hatte eine Freundin, die ey seitdem leider nicht mehr treffen konnte. Ihr Name war Anastasia. Sie lebte in Frankfurt am Main, während Flo in Bremen war. Früher hatten sie sich jeden Tag gesehen, aber das war schon wesentlich länger her.
Anastasia wusste früher alles über mich, dachte ey. Aber jetzt erinnerte ey sich nicht mal mehr an den letzten Kontakt mit Anastasia. Ob ey sie mal anschreiben sollte? Was sie wohl gerade tat?
Flo erinnerte sich an einen Liebesfilm vom letzten Abend. Es ging darum, dass ein Typ nach einem Date gesucht hatte, nichts weiter als die Liebe seines Lebens, und dabei Personen begegnet war, die wirklich nicht mit ihm harmonierten. Nach jedem Date war er zu seinem Kumpel gegangen und hatte sich ausgekotzt über die schlechten Dates. Sein Kumpel hatte jedes Mal ruhig zugehört, ihm Rat gegeben und manchmal sogar für ihn Klamotten oder kleine Geschenke gekauft, damit der diese für die Dates nutzen konnte.
Eines Tages fragte die Schwester des Kerls ihn, ob er mal daran gedacht hatte eine Person zu daten, mit der er eh gut klarkam. Also eine Person, mit der er sich gerne umgab, die ihn zum Lachen brachte und ihn das Unglück der Welt vergessen ließ. Erst verstand er nicht, was sie damit meinte und ging wieder zum nächsten Date.
An diesem Abend kam er – mal wieder nach einem schlechten Date – nachhause und sah seinen Kumpel auf dem Sofa sitzen. Er schaute gerade einen Film, den die beiden sicherlich schon etliche Male miteinander gesehen hatten und den er trotzdem oder eben gerade deshalb liebte. Sein Kumpel schaute über die Sofalehne zu ihm rüber und grinste, auch er musste grinsen. Er merkte, dass er den ganzen Tag noch nicht gegrinst hatte. Erst jetzt grinste er wieder.
Danach war Flos Internet abgeschmiert. Vermutlich war es so besser, dachte sich Flo. So konnten die Produzierenden das Ende des Filmes wenigstens nicht versauen und Flo konnte sich ein passendes Ende selbst ausmalen. Aber was bedeutete der Film für em? Gab es eine Person in ehrm Leben, die em zum Lachen brachte? Mit der ey sich gerne umgab?
Ja natürlich, dachte Flo. Natürlich gab es die Person. Anastasia war diese Person. Vielleicht war es tatsächlich Zeit, sich mal bei Anastasia zu melden…
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Hallo liebe Leser*innen! Ihr seid hier gerade meinem ersten Schnipsel begegnet. Schnipsel sind kleine Minigeschichten, die ich auf meiner Webseite veröffentliche. Falls ihr neugierig seid, wie es Flo mittlerweile geht … don’t wait for me!
Ich habe gerade überlegt, ob es sinnvoll wäre, hier einen Hashtag einzuführen, unter dem über die Minigeschichten getweetet werden könnte. Es könnte beispielsweise ein eigenes Ende gepostet werden. Bevor ich mich gerade aber überhaupt dafür entscheiden konnte, dies als Aktion tatsächlich zu bewerben, fiel mir ein Hashtag quasi in den Schoß: #FloAufKlo. Ob ich den ersten Satz des Schnipsels doch nochmal abändern sollte…?